Sammelklagen in Deutschland: immer wieder angedacht, aber bisher nicht umgesetzt
Im Sommer 2016 platzte die Bombe: der Dieselskandal flog auf und zahlreichen Menschen wurde plötzlich bewusst, dass sie jahrelang hintergangen worden waren und viel Geld für etwas bezahlt hatten, ohne zu wissen, was sie da eigentlich gekauft hatten. Doch was genau war passiert? Jahrelang hatte es unter deutschen Autokonzernen heimliche Absprachen gegeben, in denen Verabredungen getroffen wurden, um Abgasnormen zu umgehen und bei weitem mehr umweltschädliche Abfallprodukte zu erzeugen, als dem Endverbraucher bewusst war. Ging man anfangs vor allem davon aus, dass der Autohersteller VW zu dieser Technik gegriffen hatten, wurde schnell klar, dass auch Audi, Daimler sowie Porsche zu dieser unlauteren Methode angewendet hatten, um bei der Herstellung ihrer Dieselfahrzeuge das Gesetz zu umgehen. Im Zuge dessen war es Bundesjustizminister Heiko Maas, Mitglied der SPD, der einen neuen Gesetzesentwurf für Deutschland vorlegte, um den Verbraucher mit mehr Macht im Kampf gegen Großkonzerne auszustatten. In diesem Entwurf wurde vorgesehen, dass zum Beispiel Verbraucherschutzorganisationen und andere Verbände gegen ein Unternehmen Anklage erheben können. Jeder geschädigten Privatperson sollte es ermöglicht werden, sich dieser Klage anzuschließen und so nicht mehr allein gegen das ganze Unternehmen vorgehen zu müssen. Die Chancen für einen positiven Ausgang des Gerichtsprozesses aus Sicht der Privatpersonen sollten somit stark erhöht werden. Auch die EU-Kommissarin für Verbraucherschutz brachte bereits einen Gesetzesentwurf vor und forderte ein Recht auf Sammelklagen in ganz Europa. Leider scheiterten beide Gesetzesvorlagen, wobei in Deutschland hauptsächlich die Union dafür verantwortlich war.
Der Blick über die Grenze – in welchen Ländern Sammelklagen funktionieren
In zahlreichen anderen Ländern haben sich unterschiedliche Formen von Sammelklagen bereits als äußerst sinnvoll erwiesen, damit Firmen im Falle eines Schadens haften und die geschädigten Personen ihren Anspruch durchsetzen können. Es ist hierbei jedoch wichtig zu bedenken, dass sich die Produkthaftung je nach Rechtssystem unterscheidet und auch das Vorgehen der Anwälte und Verbraucher bei eingebrachten Sammelklagen sehr unterschiedlich ausfallen kann. Das berühmteste Beispiel für Länder, in denen Sammelklagen mittlerweile Gang und gebe sind ist die USA. Auch im Dieselskandal gehen die Betroffenen mittlerweile mithilfe einer Sammelklage gegen die Autokonzerne vor, um ihr Recht durchzusetzen. Diese Art des Rechtsstreits wird in Amerika als class action bezeichnet und kann immer wieder beobachtet werden. So konnte mit der class action bereits ein echter Erfolg erzielt werden : alle Parteien einigten sich bereits auf einen Vergleich und die Privatpersonen kommen zu ihrem Recht. Der Autokonzern VW muss mit mehreren Milliarden Dollar für den Schaden einstehen und für die Täuschung der Kunden durch die verwendete Schummelsoftware zahlen.
Hierzulande kommt es ebenfalls immer wieder vor, dass Endverbraucher nicht das Produkt oder den Service erhalten, für den sie bezahlt haben und dennoch nicht auf Produkthaftung klagen können, da die Firmen einfach mächtiger sind. Der Gründer und Geschäftsführer des Kündigungsdienstes Abo Alam Bernd Storm van’s Gravesande berichtet, dass es immer wieder zu solchen Ärgernissen kommt und der Kunde achtsam sein sollte, wenn er nicht am Ende draufzahlen möchte.
Denn in Deutschland ist eine pauschale finanzielle Entschädigung für eine Vielzahl von Kunden, die betrogen wurden nicht möglich. Wagt sich eine Einzelperson an einen Gerichtsprozess heran und versucht ihr Recht durchzusetzen, zahlt sie am Ende meist drauf bzw. hat die eine Privatperson aufgrund der Macht des Gegners kaum eine Chance, wirklich gehört zu werden. Im diesem Skandal wurde zum Beispiel zunächst dafür gesorgt, dass kostenfreies Software Update zur Verfügung gestellt wird, das jedoch wieder vom Verbraucher selber installiert werden muss. Die Verantwortung hat also nicht die Firma selbst zu tragen und auch von staatlicher Seite bekommt der hinters Licht geführte Endkunde wenig bis keine Unterstützung. Wie man sich gut vorstellen kann, haben die meisten der Betroffenen Autofahrer auch nicht die finanziellen Mittel, um gegen den Autogroßkonzern vorzugehen und zu ihrem Recht zu kommen. Würde man sich jedoch zusammenschließen, sehe die Lage gleich ganz anders aus.
Die Gier der Anwälte: darum sind Sammelklagen für Kanzleien besonders attraktiv
Ein Kritikpunkt, der immer wieder genannt wird, wenn es um die Einführung der Sammelklage geht sind die Anwaltskosten, die dabei entstehen. Denn in der USA zum Beispiel ist es die übliche Handhabung, dass viele Kanzleien und auch Anwälte bei Sammelklagen das Honorar von jeder einzelnen, in der Klage involvierten Person verlangen können, das sie auch in einem einfachen Prozess bekommen würden. Es handelt sich hierbei also um ein äußerst lukratives Geschäftsfeld für Anwaltskanzleien, was aufgrund dieser finanziellen Regelung durchaus nachvollziehbar ist. Im Gegensatz zu einem Prozess, wo nur ein Einzelkläger vertreten wird erhält man also denselben Honorarsatz für jeden teilnehmenden Kläger und das obwohl in Wahrheit nur ein einziger Prozess geführt wird.
Den Endkunden schützen – darum ist das Recht auf eine Sammelklage für Verbraucher so wichtig
Wem von uns ist es noch nicht so ergangen: man schließt einen neuen Handyvertrag beim Mobilfunkanbieter ab nur um anschließend zu merken, dass dieser lange nicht hält, was er eigentlich verspricht. Oder die undurchsichtigen Klauseln beim Vertrag im Fitnessstudio machen und so sehr zu schaffen, dass wir uns schließlich viel länger binden, als gewollt und auch noch anständig draufzahlen. Für diese und viele weitere Fälle ist es notwendig, als Kunde ein Instrument in der Hand zu haben, um sich zu wehren. Betroffenen Personen kann viel einfacher geholfen werden, wenn sie sich gemeinsam Gehör verschaffen und sie auf diese Weise ihre Chance auf eine gerechte Entschädigung erhalten.
Vor allem, wenn es um geringe Geldsummen geht, verzichten Verbraucher häufig auf ihr Recht, da es sie ihnen zu riskant vorkommt, gegen einen großen Konzern einen Rechtstreit zu beginnen, um am Ende vielleicht auch noch auf den Anwaltskosten sitzen zu bleiben. Wieso sollte man also das Risiko eingehen und zum Beispiel um zehn Euro streiten? Genau mit dieser Haltung rechnen viele Großkonzerne, wenn sie Endkunden um ihr Recht bringen. Hat man jedoch das Instrument der Sammelklage zur Verfügung, so können viele betrogene Endkunden dazu führen, dass aus einer kleinen Geldsumme plötzlich ein lukrativer Fall für Anwälte wird und die Unternehmen werden sich in Acht nehmen müssen.
Vor allem das geringe Kostenrisiko der Einzelperson ist es, das Sammelklagen bei großen Prozessen besonders lukrativ und auch risikolos werden lässt. Der Endkunde hat auf diese Weise eine Möglichkeit, um sich gegen mangelhafte Produkte, falsche Versprechungen oder undurchsichtige Verträge zur Wehr zu setzen.
Das Bedürfnis nach Gerechtigkeit-mithilfe der Sammelklage wird es erfüllt
Vergleicht man die Ausgangssituation eines Großkonzerns mit der eines kleinen stationären Handels, so wird sehr schnell klar, wie gut die finanzielle Lage der erstgenannten Geschäftsform ist. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Ländern findet sich in Deutschland jedoch kein wirkliches Gesetz, das das illegale Verhalten der Großunternehmen dauerhaft unterbinden könnte. Es gibt weder ein Unternehmensstrafrecht, noch ein Strafschadensersatz und ebenfalls keine Möglichkeit zur Gruppenklage. Es ist wichtig, dass dieses Ungleichgewicht endlich ins Lot gebracht wird und eine Sammelklage, die im Falle eines Betrugs Verbrauchern zu ihrem Recht verhilft ist dabei ein richtiger Schritt. Nur auf diese Weise wird es möglich sein, die entstehenden Individualansprüche durchsetzen zu können und die Rechtssicherheit im Land weiter zu erhöhen.
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